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Verfassungsbeschwerde von Tierheilpraktikerinnen gegen §50 Absatz 2 Tierarzneimittelgesetz – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt
 
Erläuterung der Entscheidung und Kommentar

 
 
Am 24.01.2022 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Anträge einiger Tierheilpraktikerinnen, die sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen §50 Abs. 2 des neuen Tierarzneimittelgesetzes wenden, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (BVerfG, Beschluss des Ersten Senates vom 24. Januar 2022 – 1 BvR 2380/21, 1 BvR 2449/21 – Rn. (1-41), http://www.bverfg.de/e/rs20220124_1bvr238021.htm)
 


 
Zur Vorgeschichte
 
Am 28.01.2022 trat das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Kraft. Damit setzte der deutsche Gesetzgeber die EU-Verordnung (EU) 2019/6 in nationales Recht um.

 
Bereits im Vorfeld gab es massive Vorbehalte und Beschwerden, u.a. in Gestalt von Petitionen, seitens der Tierheilpraktikerschaft gegen die neue Rechtsnorm, welche als „Berufsverbot durch die Hintertür“ bezeichnet wurde (vgl. Pressemitteilung des Berufsverbandes Klassischer Tierhomöopathen Deutschlands e.V. (BkTD) vom 12.11.2021). Im Fokus steht hier der §50 Abs. 2 TAMG, welcher die Verordnung und Verabreichung von apothekenpflichtigen Humanarzneimitteln einem Tierarztvorbehalt unterstellt. Hiergegen hatten einige Tierheilpraktikerinnen, die als Klassische Tierhomöopathinnen fast ausschließlich mit derartigen Arzneimitteln (Humanhomöopathika) arbeiten und sich nun ihrer Tätigkeitsgrundlage beraubt sahen, Verfassungsbeschwerde eingelegt. Gleichzeitig hatten die Beschwerdeführerinnen mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzuges des §50 Abs. 2 TAMG erreichen wollen (1 BvR 2380/21 und 1 BvR 2449/21).

 
Die Beschwerdeführerinnen begründeten die Verfassungsbeschwerde mit einer Verletzung ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (1 BvR 2380/21; im Folgenden werden einzelne Randnummern aus der Entscheidung zitiert). Eine weitere Beschwerdeführerin rügte zusätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, da Heilpraktiker und Personen, die nicht Ärzte sind, weiterhin Humanhomöopathika bei ihren Patienten ohne ärztliche Verordnung oder Aufsicht anwenden dürfen (Rn.13). Schließlich sah sie auch eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit als Tierhalterin aus Art. 2 Abs. 1 GG gegeben, da es ihr durch §50 Abs. 2 TAMG fortan untersagt sei, ihre eigenen Tiere mit Humanhomöopathika zu behandeln (Rn11).
 


 
Worum geht es?
 
Die durch die Verfassungsbeschwerden angegriffene Rechtsnorm ist §50 Abs. 2 TAMG.

 
§50 Abs.2 TAMG legt Folgendes fest:
 
„Tierhalterinnen und Tierhalter sowie andere Personen, die nicht Tierärztinnen oder Tierärzte sind, dürfen verschreibungspflichtige Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte sowie Arzneimittel nach §2 Absatz 1, 2 und 3a des Arzneimittelgesetzes bei Tieren nur anwenden, soweit
 
1. diese von einer Tierärztin oder einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben worden sind, bei der oder dem sich die Tiere in Behandlung befinden, und
 
2. die Anwendung gemäß einer tierärztlichen Behandlungsanweisung, die die Tierärztin oder der Tierarzt für den betreffenden Fall ausgehändigt hat, erfolgt.“

 
Bisher war es gängige Praxis, dass insbesondere die klassisch-homöopathisch arbeitenden THP (aber auch andere THP, die homöopathische Arzneimittel bei ihren Patienten anwenden) auf derartige – apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige – Humanhomöopathika zurückgriffen. Mit Inkrafttreten des §50 Abs. 2 TAMG wird nun diese Anwendung von Humanhomöopathika unter einen Tierarztvorbehalt gestellt.

 
Der Gesetzgeber begründet dies mit der „Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus bei der Anwendung von Tier- und Humanarzneimitteln bei Tieren, weil diese Auswirkungen auf die Lebensmittelkette, die Beschaffenheit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, die Umwelt, die Tiergesundheit und über die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen auch auf die öffentliche Gesundheit haben könne“ (Rn.9; siehe auch BTDrucks 19/28658, S.109, 128).

 
Das BVerfG hat im Rahmen der o.g. Verfassungsbeschwerden nun zu prüfen,
 
1. ob es sich bei dieser o.g. Zielsetzung des Gesetzes um einen legitimen Zweck handelt;
 
2. ob die angegriffene Rechtsnorm §50 Abs. 2 TAMG geeignet und erforderlich ist, diesen Zweck zu erreichen;
 
3. ob die angegriffene Rechtsnorm §50 Abs. 2 TAMG die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG in unzumutbarer Weise belastet (Rn.33).

 
Diese Prüfung ist auch mit Blick auf eine mögliche Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, wie sie eine weitere Beschwerdeführerin geltend macht, durchzuführen.
 


 
Begründung der Verfassungsbeschwerde
 
Die Beschwerdeführerinnen führen in ihrer Verfassungsbeschwerde an, dass der durch §50 Abs. 2 TAMG etablierte Tierarztvorbehalt nicht geeignet sei, den Zweck der Rechtsnorm, nämlich eine Verbesserung des Tierwohls bzw. des Schutzes der Gesundheit von Menschen, zu erfüllen. Dies wird damit begründet, dass die Anwendung von Homöopathika per se und grundsätzlich nicht schädlich sei. Daher sei ein Tierarztvorbehalt auch nicht erforderlich (Rn.12).

 
Weiterhin stelle der Umstand, dass Heilpraktiker – ebenso wie andere Personen, die keine Ärzte sind – weiterhin Humanhomöopathika frei und ohne ärztliche Aufsicht oder Verordnung anwenden dürfen, eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG dar. Eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung und damit ebenfalls eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ergebe sich zudem daraus, dass der Tierarztvorbehalt des §50 Abs. 2 gleichermaßen für die Anwendung von Humanhomöopathika bei lebensmittelliefernden Tieren wie auch bei nicht-lebensmittelliefernden Tieren gelte (Rn.13).

 
Und schließlich stelle das Verbot aus §50 Abs. 2, als Tierhalter Humanhomöopathika bei seinen eigenen Tieren anzuwenden, eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG dar (Rn.14).
 

Ablehnung der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
 
Die Beschwerdeführerinnen sehen sich als vorwiegend klassisch-homöopathisch arbeitende THP mit Inkrafttreten des §50 Abs. 2 TAMG ihrer Tätigkeitsgrundlage beraubt, da es keinerlei äquivalente für Tiere zugelassene Präparate gibt, auf die sie zurückgreifen könnten. Dementsprechend fürchten sie schwer wiegende und nur schwer revidierbare wirtschaftliche Nachteile und strebten mithilfe eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Aussetzung des Vollzuges des §50 Abs. 2 TAMG an.

 
Das BVerfG sah die Verfassungsbeschwerden mit Blick auf eine mögliche Verletzung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus den Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG jedenfalls als nicht offensichtlich unbegründet an (Rn.31).

 
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurden dennoch abgelehnt, da die Beschwerdeführerinnen nach Auffassung des BVerfG nicht plausibel darlegen konnten, dass ihnen aus einem Inkrafttreten der angegriffenen Rechtsnorm irreversible oder nur sehr schwer revidierbare oder ansonsten sehr schwer wiegende berufliche Nachteile entstünden (Rn.38). Dies ergibt sich vor allem daraus, dass alle Beschwerdeführerinnen neben ihrer Tätigkeit als THP noch andere Tätigkeiten ausübten, aus denen sie Einnahmen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes generierten. Weiterhin arbeitete eine Beschwerdeführerin nicht ausschließlich Klassisch-homöopathisch, sodass sie als THP ihre Patienten weiterhin, nur eben unter Anwendung anderer Therapieverfahren, behandeln konnte. Es entstehen den Beschwerdeführerinnen durch Inkrafttreten des §50 Abs. 2 TAMG also nur möglicherweise wirtschaftliche Nachteile; dies allein ist grundsätzlich kein Grund für die Aussetzung der Anwendung einer Rechtsnorm (Rn.39).

 
Auch der Beschwerdeführerin, die eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, entstehen nach Auffassung des BVerfG keine gravierenden Nachteile dadurch, dass sie mit Inkrafttreten des §50 Abs. 2 TAMG keine Humanhomöopathika bei ihren eigenen Tieren mehr anwenden darf. Es stünden ausreichend alternative Behandlungsmöglichkeiten (andere naturheilkundliche Verfahren, schulmedizinische Behandlung durch einen Tierarzt) zur Versorgung der Tiere zur Verfügung (Rn.40).

 
Das BVerfG stellte im Rahmen seiner Entscheidung aber auch grundlegend fest, dass tatsächlich auch Humanhomöopathika gem. §4 Abs. 26 Arzneimittelgesetz (AMG)  „Arzneimittel“ im Sinne des AMG sind. Die Verabreichung war THP unter der bisherigen, bis zum 27.01.2022 geltenden Rechtslage, gestattet (Rn.4), fällt nunmehr aber unter das Verbot des §50 Abs.2 TAMG (Rn.8).
 


 
Kommentar
 
Die Verfassungsbeschwerden gegen den §50 Abs. 2 TAMG sind von großer Bedeutung für die Tierheilpraktikerschaft, aber auch für Tierhalter. Da die Verfassungsbeschwerden nicht offensichtlich unzulässig und unbegründet sind, werden sie vom BVerfG zur Entscheidung in der Hauptsache angenommen. D.h., es wird mit der Entscheidung des BVerfG darüber, ob §50 Abs. 2 TAMG verfassungsgemäß ist oder nicht, eine abschließende, höchstrichterliche Entscheidung darüber geben, ob das Verbot der Anwendung von Humanhomöopathika durch THP rechtmäßig ist oder nicht. Dies gibt uns THP die Rechtssicherheit, die wir für unsere Arbeit brauchen.

 
Sollte das BVerfG sich ferner mit der Argumentation der Beschwerdeführerinnen auseinandersetzen, ein milderes Mittel zur Erreichung des Gesetzeszweckes als der Tierarztvorbehalt sei die Einführung eines Sachkundenachweises für THP (Rn.12), so ist hierin eine große Chance zu sehen: Rechtlich sind THP nach wie vor nichts anderes als Laien, es fehlt eine standardisierte Ausbildung sowie eine Prüfung durch staatliche Stellen (wie es z.B. bei den Human-Heilpraktikern der Fall ist). Auch das Bemühen der zahlreichen THP-Verbände, durch jeweils eigene Ausbildungsordnungen und Prüfungsverfahren Qualitätsstandards zu schaffen und aufrechtzuerhalten, kann das Misstrauen in Teilen der Tierhalterschaft, was die Fertigkeiten und die Sachkunde der THP angeht, nicht zerstreuen. Auch die Tierärzteschaft schaut immer wieder mit großem Misstrauen und Missbilligung auf die Tätigkeit der THP.

 
Eine einheitliche, staatlich überwachte Ausbildung und Prüfung könnte also helfen, die Tierheilpraktikerschaft aus dem Schattenreich der Scharlatanerie, in dem sie durch die genannten Gruppen sehr oft noch verortet wird, herauszuführen. Auf dieser Grundlage wäre es sicher auch besser möglich, langfristig eine kooperative und arbeitsteilige Zusammenarbeit mit der Tierärzteschaft anzustreben.
 
Es wäre also sehr zu begrüßen, wenn das BVerfG im Zuge der Hauptsacheentscheidung dem Gesetzgeber aufgäbe, die THP-Ausbildung und -prüfung staatlich zu vereinheitlichen und zu normieren – dies wäre ein großer Schritt zur Förderung des Tierwohls und gleicher Maßen für den Beruf des THP!
 
Irritiert hat mich als THP allerdings die Argumentation der Beschwerdeführerinnen, mit der sie den Tierarztvorbehalt des §50 Abs. 2 TAMG als nicht erforderlich angreifen.

 
Die Beschwerdeführerinnen führen aus, dass der Tierarztvorbehalt nicht erforderlich sei, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Anwendung von Homöopathika schädlich sein könne (Rn.12). Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein ernsthaft tätiger Klassischer (Tier)Homöopath diese Aussage unterschreiben würde. Alles, was wirkt – und die Klassischen (Tier)Homöopathen gehen ja davon aus, dass diese Therapieform wirksam ist – kann auch falsch wirken und damit schaden. Dies gilt insbesondere auch für die Verfahren der Regulationsmedizin, zu denen die Klassische (Tier)Homöopathie zählt.  Nicht schaden kann nur etwas, das auch nicht wirkt. Die oben dargelegte Argumentation der Beschwerdeführerinnen impliziert somit, dass die Anwendung von Homöopathika nicht wirkt – weil sie ja auch nicht schadet. Mit dieser Argumentation begeben sich die Beschwerdeführerinnen also genau auf die Schiene der Kritiker der Homöopathie, die sich – kurz gesagt – in ihrem Kern so zusammenfassen lässt: „Hilft nicht, schadet aber auch nicht“.

 
Mit dieser Argumentation stärken die Beschwerdeführerinnen gerade nicht ihre Position als Klassische Tierhomöopathinnen, sondern sie übernehmen ein ihren Berufsstand untergrabendes, keinesfalls zutreffendes Vorurteil. Warum sollte der Tierhalter überhaupt einen Klassischen Tierhomöopathen konsultieren, wenn er sein Tier auch einfach selbst mit den Homöopathika behandeln kann – es schadet ja in jedem Falle nicht. Ich denke nicht, dass dies der Eindruck ist, den die Klassischen Tierhomöopathen mit Blick auf ihre Tätigkeit und ihre „Daseinsberechtigung“ erwecken möchten.

 
Insofern finde ich die in der Verfassungsbeschwerde gewählte argumentative Strategie höchst unglücklich. Vielleicht mag sie letztendlich geeignet sein, die Erforderlichkeit des Tierarztvorbehaltes des §50 Abs. 2 TAMG zu entkräften – dann allerdings um den Preis, dass der Kritik an der Klassischen (Tier)Homöopathie, dass sie nicht wirke (und damit nicht schade) stattgegeben wurde. Sollte auf Grundlage dieser Argumentation der Tierarztvorbehalt fallen, so ist das in meinen Augen als ein Phyrrussieg anzusehen: Die Rücknahme des Tierarztvorbehaltes auf dieser Grundlage zementierte dann die Einschätzung, dass die Klassische (Tier)Homöopathie unschädlich sei – weil ihr jegliche Wirkung fehlt.

 
Wir dürfen gespannt sein, wie die Entscheidung des BVerfG in der Hauptsache ausfällt.

(C) Dr. phil. Nicole Schulte-Kulkmann


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